1. Die Klinik in Lunsar und unsere Laborarbeit
Der Einsatz in Sierra Leone verlief so ganz anders wie alle anderen Einsätze zuvor..., nämlich total unspektakulär. Kein Großbrand im
OP zu löschen, keine größeren Reparaturarbeiten bevor wir oder die Chirurgen loslegen können, nichts dergleichen. Insofern wollten
Doris und Nils gleich am Montag frohen Mutes mit unseren Schulungen beginnen, jedoch stellte sich relativ schnell heraus, dass in
diesem Einsatz kaum (besser gesagt: gar nicht) geschult wird, weil der eine zu schulende Labortechniker - unser
‘Hauptauszubildender’ - eine Woche weg auf einem Workshop war. Dass Abdul für das Training nicht zur Verfügung stand war für
Doris und mich sehr befremdlich. Überhaupt hatten wir über viele Tage des Einsatzes den Eindruck, dass die Klinikleitung von uns
erwartet, dass wir 'die Arbeit machen', statt 'die Arbeit zu lehren'. Dies widerspricht völlig unserer Satzung und Doris und Nils haben
das auch unmissverständlich der Klinikleitung mitgeteilt. Br. Michael meinte, dass dies wohl einem Missverständnis geschuldet sei
und er versprach, dass beim nächsten Einsatz zwei Labortechniker von ihrer Arbeit freigestellt werden, damit diese von uns 'in
Vollzeit' trainiert werden können.
Ein großes Problem – weniger für uns als für die Ärzte – war, dass die Paletten die wir Ende August verschickt hatten, nicht in der
Klinik angekommen waren. Seit Ende September liegen sie im Hafen von Freetown, der Hafenmeister jedoch gibt sie nicht frei, weil
– so zumindest wurde es uns gesagt – der Finanzminister auf Wahlkampftour ist und deshalb die Papiere nicht unterschreiben kann.
(...ein Schelm der Böses dabei denkt) Alle 'lebenswichtigen' Dinge hatten Doris und Nils aber im Fluggepäck, so dass dieses
Problem uns nicht sooooo betraf.
Zurück zur Laborarbeit:
Insgesamt wurden über 40 Patienten von uns versorgt - von 27 wurden Antibiogramme erstellt. Hauptsächlich Wundinfektionen, ca.
20% Blasenentzündungen und 3 – 4 andere Infektionen. Drei Patienten wurden (in der Regel nach Probennahme) gleich an die
Orthopäden weitergereicht, zwei Knochenmarksentzündungen und Suleman. Unser kleiner Suleman (3 Jahre alt) hat eine so
schlimme und dann wieder glückvolle Geschichte hinter sich, dass wir diese hier repräsentativ für all die anderen Patienten
umreißen, zumal er uns allen - im Labor und im OP - so ans Herz gewachsen ist.
Mitte der ersten Woche kam Suleman (mit seinen Eltern) zu uns ins Labor mit schlimmsten Verbrühungen an beiden Füßen und
einem Verband der als solcher kaum mehr zu erkennen war. Der Verband wurde bestimmt 6 bis 8 Wochen nicht gewechselt und war
so dreckig, dass er bei schlechtem Licht kaum von der Hautfarbe zu unterscheiden war. Der Eiter lief in Rinnsalen (!) und wir hatten
Angst, dass schon eine Sepsis (Blutvergiftung; Bakterien im Blutkreislauf) vorliegt. Sulemans Blutsauerstoff war darüber hinaus so
gering, dass Nils eigentlich keine Zweifel daran hatte, dass der Junge innerhalb der nächsten zwei Tage stirbt.
Als erstes riefen wir unseren Martin (Anästhesist) an mit der Bitte um einen schnellen Termin, für einen Verbandswechsel unter
Vollnarkose (im OP). Zuvor jedoch brauchte 'der Kurze' dringend Blut. Um auf dem pragmatischen 'kleinen Dienstweg' zu bleiben,
musste dieses Mal unsere Doris herhalten - ihre Blutgruppe passte, im Gegensatz zu Nils seinem 'Saft'. Nach erfolgreichem Blut-
Doping wurde im OP der Verband abgemacht und die Wunden wurden mit unserer im letzten Jahr neu eingeführten antiseptischen
Wundspülung behandelt. Von da ab erfolgte jeden Tag ein Verbandswechsel dieser Art und Suleman erholte sich so schnell... wir
konnten es gar nicht glauben. Aber das war noch nicht alles: Kaum wieder zuhause angekommen erhielten wir die Nachricht, dass
die ODW-Ärzte der Nachfolgegruppe, eine erfolgreiche Hauttransplantation vorgenommen hatten.
In der letzten Mitgliedersammlung wurde ja beschlossen, dass für die Zeit in der ein GLOBOLAB-Team in Sierra Leone anwesend ist,
GLOBOLAB auch die Kosten der antibiotischen Behandlungen übernimmt. Vor Ort mussten wir die Kostenübernahme tatsächlich
etwas erweitern; wir haben bei besonders bedürftigen Patienten auch die Kosten der ersten Verbandswechsel übernommen. Was
nützt der schönste mikrobiologische Test, selbst in Kombination mit einer passenden Medikation, wenn der Patient 2, 3 oder 4
Wochen lang denselben Verband trägt? Wir denken, das ist auch im Sinne aller unserer Mitglieder, zumal die Kosten hierfür
überschaubar blieben.
Auffällig während unserer Labortätigkeit war die Tatsache, dass von Einsatz zu Einsatz die Resistenzen spürbar
zunehmen. Alleine in diesen zwei Wochen haben wir fünf multiresistente Keime gefunden ('multiresistent' gegenüber
den in Sierra Leone verfügbaren Mitteln) - Fünf von 27 - ca. 20 % !!!
Abschließend verbleibt noch zu erwähnen, dass dieser Einsatz einer der harmonischsten überhaupt war. Vielen Dank hierfür an alle
Beteiligten – ihr wart eine Wucht!
2. Das Land nach Ebola und vor der Wahl
Die Armut die einen in Sierra Leone entgegenspringt ist immer noch bitter - man gewöhnt sich wohl nie daran. Das Thema Ebola ist
immer noch präsent und sei es “nur” bei den 2,3,4 Menschen die wir kennengelernt haben, die mehrere - manchmal über 15 (!) -
Ebola-Waisen aufgenommen haben. Wie gesagt: “die wir kennengelernt haben” - tatsächlich sind es viele viele mehr; soziales
Pflichtbewusstsein ist in Westafrika etwas völlig anderes als bei uns (so viel zum Thema “unterentwickelt”).
Aber das Land scheint sich zumindest etwas zu erholen. Am Markt gibt es jetzt ein deutlich größeres Angebot als noch vor zwei
Jahren, auch wenn es nur wenige Menschen gibt, die sich das alles leisten können. Wir haben festgestellt, dass viele Patienten allein
schon deshalb nicht kommen, weil sie sich die Verbände nicht leisten können; viele müssen sich entscheiden zwischen
Verbandswechsel ODER Essen... Im HDI (Human Development Index) veröffentlicht im März 2017 rangiert Sierra Leone auf Platz 9
von 188 untersuchten Nationen. Nur noch Länder wie der Südsudan, Tschad und Niger sind “noch schlechter dran”.
2018 stehen Neuwahlen an, es wird ein neuer Präsident gewählt. Niemand aber glaubt ernsthaft daran, dass sich durch ein neues
Staatsoberhaupt im Land irgendetwas ändern wird. Es bleibt vielmehr zu hoffen, dass es im Vorfeld nicht zu Unruhen kommt.
...und wie immer, ein paar Eindrücke:
© Globolab e.V. 2009 - 2023
Teilgenommen haben:
Doris – Leitende MTLA - KK Ebersberg; Ausbilderin
Edith – OP-Schwester; Kontaktperson OP
Nils - Bioingenieur; Ausbilder
zusammen mit einem SUPER-Team des ODWs